17.08.2011
Ägyptens Revolution: "Größtes Problem ist die Spaltung zwischen Liberalen und Islamisten"
Rana Gaber ist eine der vielen tausend jungen Ägypterinnen und Ägypter, die vor einem halben Jahr auf dem Tahrir-Platz in Kairo demonstrierten und schließlich Präsident Mubarak stürzten. Doch der Abgang des Autokraten ist allenfalls ein Teilerfolg. Die 24-jährige Studentin ist überzeugt davon, dass die Revolution noch längst nicht an ihrem Ziel angekommen ist und deshalb weitergeführt werden muss. Deshalb gründete Rana zusammen mit anderen Aktivisten die Bewegung „al-Sahwa“ - das Erwachen - die den Druck auf den herrschenden Militärrat aufrecht erhalten soll.

Ziel der Gruppe ist es, säkulare und islamistische Ägypter zusammen zu führen. Rana legt großen Wert darauf, dass ihre Organisation nichts mit den sunnitischen Erweckungsräten im Irak zu tun hat, die ebenfalls unter dem Namen al-Sahwa bekannt geworden sind. Ich habe Rana Gaber in Kairo getroffen.

Wie bewertest du den Stand der Revolution ein halbes Jahr nach Mubaraks Sturz?

Alles in allem bin ich optimistisch und hoffnungsfroh. Mubarak steht vor Gericht, der Prozessauftakt verlief sehr positiv. Jeder wusste, dass der Übergang vom alten Regime zu einem neuen System nicht einfach würde und dass jeder Fehler, den wir jetzt machen, langwierige und schwerwiegende Konsequenzen haben kann.

Welche Fehler wurden denn gemacht?

Es war ein Fehler, den Tahrir-Platz aufzugeben. Das Militär reagiert nur auf den Druck der Straße und unternimmt nun alles um zu verhindern, dass wir uns erneut auf dem Platz niederlassen. Aber gut, das ist nicht mehr zu ändern und wir müssen nun andere Wege finden, um unsere Anliegen klar zu machen. Al-Sahwa gehört zu den Gruppen, die Druck auf den Obersten Militärrat ausüben wollen. Wir sind alle inmitten eines Lernprozesses.

Was sind derzeit die größten Probleme denen sich Ägyptens Revolutionäre gegenübersehen?

Der Wirtschaft geht es schlecht, aber das ist normal in einer Revolution. Wir hätten die gleichen Probleme wenn Mubarak noch an der Macht wäre. Für uns Revolutionäre ist die Polarisierung zwischen Liberalen und Islamisten das größte Problem. Diese Spaltung hat sich seit dem Referendum über die Verfassungsänderungen aufgebaut und stetig vertieft. Der Militärrat unternimmt alles, um diese Meinungsunterschiede auszunutzen und die Opposition zu spalten. Die Armee und mit ihr verbündete Medien lassen keine Gelegenheit aus, das Ansehen der Revolution in den Dreck zu ziehen und das Volk gegen die Revolutionäre aufzuhetzen.

Also ist das einst so betont gute Verhältnis zwischen den Revolutionären und dem Militär endgültig zerbrochen?

Ja, das Vertrauen zur Armee ist geschwunden. Aber wie können wir auch einer undemokratischen Institution wie dem Militär vertrauen und von ihm erwarten, ein demokratisches System aufzubauen?

Was also sollte der Armeerat tun?

Er sollte sich besser heute als morgen aus der Politik zurückziehen. Wir brauchen Wahlen so schnell wie möglich und einen konkreten Zeitplan, der die Machtübergabe festlegt. Das Militär lässt sich aber überhaupt nicht in die Karten schauen und liefert keinen Rahmenplan.

Also sollte deiner Meinung nach zuerst gewählt werden, bevor eine neue Verfassung ausgearbeitet wird?

Ich gehörte auch zu denen, die sich vor den Wahlen eine neue Verfassung gewünscht hätten. Im Nachhinein muss ich aber sagen, dass die Kontroverse darüber die Spaltung der Opposition vertieft hat. Deshalb bin ich mittlerweile dafür, erst zu wählen.

In den letzten Wochen scheinen islamistische und salafistische Gruppen in Ägypten immer mehr Rückenwind zu bekommen.

Das sollte man nicht überbewerten. Vor den Salafisten muss man keine Angst haben. Wir sollten ihnen im Dialog begegnen. Dann wird auch deutlich, dass sie zwar ausgiebig von Saudi-Arabien finanziert werden, aber überhaupt kein Konzept für unser Land haben. Und ihre Forderung nach einem islamischen Staat zeugt auch von mangelndem Verständnis: In unserer Verfassung ist festgelegt, dass das Staatsoberhaupt ein Muslim sein muss und dass die Sharia Quelle der Gesetzgebung ist. Ägypten ist also schon längst ein islamischer Staat. Was wollen die Salafisten denn noch?

Welche Chancen gibst du den Muslimbrüdern und ihren Kandidaten bei den anstehenden Wahlen?

Das ist derzeit schwer abzuschätzen. Es ist jedoch falsch zu glauben, dass die Muslimbrüder nach der Macht streben. Sie brauchen immer jemanden, den sie für die Missstände im Land verantwortlich machen können. Deshalb haben sie sich auch stets davor gescheut, das Mubarak-Regime offen herauszufordern.