Um das Ziel einer Rückführung der syrischen Geflüchteten in Deutschland in umzusetzen, ist die AfD bereit, eine Zusammenarbeit mit dem Assad-Regime einzugehen. Ein Bündnis, das zu Lasten derer geht, die einst vor Krieg und Terror geflohen waren. Von Sascha Ruppert
Während sich das Assad-Regime im neunten Jahr seiner Krise gegen jede Form von politischem Wandel als widerstandsfähig erwiesen hat und der internationalen Gemeinschaft gegenüber eifrig seinen Pyrrhussieg proklamiert, wird in Europa zunehmend über die Möglichkeit seiner Rehabilitation diskutiert. Italien, das derzeit von einer populistischen Allianz zwischen der Fünf-Sterne-Bewegung und dem rechtsextremen Lega-Premier Salvini regiert wird, zog es kürzlich in Erwägung, die italienische Botschaft in Damaskus wieder zu öffnen. Ungarn und Polen, ebenfalls von rechtspopulistischen Parteien regiert, wirkten entschlossen, sich diesem Vorhaben anzuschließen.
Die sogenannte Flüchtlingskrise ist dabei der Dreh-und Angelpunkt, der von populistischen Parteien mit Regierungsverantwortung für die eigenen politischen Ziele instrumentalisiert wird.[1] Trotz ihrer Versuche, sich als Produkte demokratischer Prozesse zu repräsentieren, bleiben sowohl Ungarn als auch die Regierung Polens die Hauptbedrohung für die liberale Ausrichtung der EU.[2]
Der Wunsch der AfD nach einer außenpolitischen Neuausrichtung Deutschlands
Obwohl die deutsche Bundesregierung jegliche diplomatische Zusammenarbeit mit dem Assad-Regime ablehnt, verkündete das Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge aktuelle Asylanträge aus Syrien auszusetzen, da das Innenministerium die internen Richtlinien für die Sicherheit Syriens überprüfen wolle. Eine Entscheidung, die auch der rechtspopulistische Einfluss der Alternative für Deutschland (AfD) zu verschulden hat.
Die AfD, die in dieser Frage die großen Koalition von rechts unter Druck setzt, verkündete schon im Jahr 2018 ein erhebliches Interesse an einer aktiven Zusammenarbeit mit dem Assad-Regime. Diese strategische Haltung basiert auf dem Selbstverständnis als Anti-Establishment-Partei und einer außenpolitischen Neuausrichtung Deutschlands gegenüber diversen autoritären Staaten.
Ein engerer Schulterschluss mit Russland entspricht dabei der Einstellung der Partei, Putin weniger als einen Aggressor, als vielmehr einen Vermittler in der syrischen Krise zu betrachten. Die tendenziell Kreml-freundliche Positionierung weiter Teile der AfD zeigt sich auch in der Haltung einiger ihrer Parteigänger*innen bezüglich der Annexion der Krim sowie durch einen regelmäßigen Austausch mit der Kremlpartei Vereinigtes Russland. Zunehmende Aufmerksamkeit hat die Beziehung zwischen Russland und der AfD erhalten, nachdem die russische Präsidialadministration den AfD-Abgeordneten Markus Frohnmaier als strategische Einflussperson zur Umsetzung russischer Interessen in Europa bezeichnete.
Die Stabilität autoritärer Staaten als vermeintliches Bollwerk gegen Fluchtursachen
Ursprünglich als Partei gegründet, die sich gegen eine tiefere Integration der Eurozone positionierte, nutzte die AfD im Jahr 2015 die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel, um ihr politisches Profil durch eine starke Anti-Immigrationspolitik zu schärfen. Neben einer freundlichen Haltung gegenüber Russland ist die AfD auch dafür bekannt, den strategischen Schulterschluss mit anderen autoritären Regimen zu suchen.
Der AfD Bundestagsabgeordnete René Springer hat beispielsweise öffentlich in einem Facebook Post gegen die anhaltende Unterstützung der jungen Demonstranten im Iran protestiert, indem er verkündete: "Besser ein stabiles Mullah-Regime als ein zweites Syrien mit hunderttausend Toten und Millionen von Flüchtlingen. Die hintergründige politische Intention dieser Aussage begründet sich dabei weniger auf einer aktiven Sympathie gegenüber der Ideologie der Islamischen Republik, als vielmehr auf dem Eigeninteresse an der Erhaltung für stabil erachteter Regime und der damit mutmaßlich zusammenhängenden „Beseitigung“ von Fluchtursachen nach Deutschland.
Während die AfD bislang lediglich den militärischen Beitrag der Bundeswehr gegen den sogenannten Islamischen Staat, der als schwerwiegende Missachtung der Souveränität des syrischen Staats bezeichnet wurde, für ihr politisches Profiling verwendete, gewann eine positive Haltung gegenüber Bashar al-Assad zunehmend an Bedeutung für ihre Anti-Flüchtlingskampagne.
Der Rückgang der Kämpfe in Syrien und die Beharrlichkeit des Regimes sind für die Partei Grund genug, den unliebsamen Abschiebestopp für syrische Geflüchtete abzuschaffen und das Land erneut zu einem sicheren Herkunftsland zu deklarieren. Obwohl nicht einmal Russland dem syrischen Regime politische Bedingungen diktieren konnte, behauptet die AfD, dass die Rückführung syrischer Geflüchteter aus Deutschland machbar wäre, wenn Deutschland mit dem Regime kooperiere, um Sicherheitsgarantien für Rückreisende zu vermitteln.
Die diplomatische Delegation nach Damaskus – Ein Besuch im Syrien Assads
Da gemäß der AfD den „Kartellen“ der deutschen Medienlandschaft nicht zu trauen sei und die Bundesregierung sich angeblich nur auf die Berichte von lokalen, voreingenommenen Quellen wie den White Helmets oder der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zu Bewertung der Sicherheitssituation in Syrien stützt, beschloss die AfD am 5. März 2018 eine diplomatische Delegation nach Syrien zu entsenden, um sich selbst ein Bild von der Sicherheit vor Ort zu machen. Das rechtsradikale Magazin Compact berichtete über diese Reise, bei der die Delegation den Großmufti Syriens, Badr ad-Din Hassun, traf, der einst damit drohte, Europa mit einer Welle von Selbstmordanschlägen zu bekämpfen, sollten sich europäische Staaten an einem Angriff auf syrischen Boden beteiligen.
Laut Delegationsführer Christian Blex, sei diese auf Video dokumentierte Aussage aus dem Zusammenhang gerissen. Zudem hätte sich der Großmufti für dieses Missverständnis persönlich bei der AfD Delegation entschuldig. Außerdem wurde der Delegation eine ganze Reihe an religiösen Autoritäten vorgestellt, die alle samt für eine Rückkehr der europäischen Geflüchteten plädierten.
Auch ein Besuch bei dem Syrischen Roten Halbmond und dem Versöhnungsminister Ali Haider waren auf der Agenda. Ali Haider ist der Vorsitzende der Syrischen Sozialen Nationalistischen Partei (SSNP), die eine identitäre, syrische Nation fordert und deren Existenz als eine Art „Blockpartei“ innerhalb des syrischen Regimes, den Eindruck politischen Pluralismus erwecken soll. Der Journalist Lars Hauch verweist zurecht auf die kuriosen Parallelen der SSNP mit der NSDAP zur Zeiten des dritten Reiches, da das Symbol der Partei dem Hakenkreuz sehr ähnlich ist und der römische Gruß als offizieller Salut unter Parteimitgliedern üblich ist.
Trotz der offiziellen Erklärung der Partei über die sozialen Medien, dass diese Symbolik keinen Bezug zum deutschen Nationalsozialismus hätte, werfen sie weiteres Licht auf die faschistischen Tendenzen des Regimes. Gerade in diesem Kontext sollte daran erinnert werden, dass der SS-Hauptsturmführer Alois Brunner bis zu seinem Tod 2010 Asyl unter der Assad-Familie genoss.
Abgesehen davon, dass sich die Delegation mit einer ganzen Reihe handverlesener Strohmänner des Regimes traf, die von diesem als „lebendige Zivilgesellschaft“ verkauft wurden, wird offensichtlich, wie gleichgültig die AfD gegenüber den eigentlichen Ursachen der syrischen Krise ist. Die Darstellung der Vielfalt religiöser Gruppen in Syrien, ist eine übliche Taktik des Assad Regimes, seine scheinbare Inklusivität zu betonen und somit wieder diplomatische Legitimation zu erlangen.[3]
Assad als „Vorkämpfer gegen islamistischen Terrorismus“
Trotz der Tatsache, dass während des Besuchs der Delegation in Damaskus das Bombardement der Regierungstruppen auf das umzingelte Ost-Ghouta, den östlichen Vorort von Damaskus, unüberhörbar war, verkündete die Reisegruppe ein eindeutiges Fazit: Syrien sei sicher, sodass eine ordnungsgemäße Rückführung der syrischen Geflüchteten aus Deutschland beginnen könne. An dieser Behauptung wird trotz der zahlreichen Berichte über Rückreisende, die Verhaftungen und Repressionen durch die syrischen Sicherheitskräfte erlitten, festgehalten. So berichtet Foreign Policy kürzlich über einen Fall von rückkehrenden Geflüchteten, deren Schicksal nach ihrer Festnahme bei der Einreise immer noch unbekannt ist.
Ein übliches Argument der AfD für eine erneute Evaluierung des Pariah-Status von Bashar al-Assad ist die Tatsache, dass Assad sich als Vorkämpfer gegen den islamischen Terrorismus positioniert, was ihn zu einem potentiellen Partner machen müsse. In einem Interview mit dem WDR pochte Blex darauf, dass in der damals belagerten Provinz Ost-Ghouta „die terroristische Gruppe Jaish al–Islam regelmäßig Angriffe auf christliche Einrichtungen in Damaskus durchführe, Hinrichtungen an Andersgläubigen verübe und Zivilisten daran hindere, durch die vom syrischen Regime angeordneten „humanitären Korridore“ zu fliehen“. Die reine Bezugnahme auf die identitäre religiöse Dimension des Konfliktes birgt noch eine weitere Problematik, da Blex die brutale Reaktion des syrischen Staates gegenüber dem autoritären Verhalten der Rebellen moralisiert, ohne dabei nach dem sozialen Ursprung der Gewalt zu fragen.
Die verschwörerische Frage nach der Opfer-Täter Beziehung
Die Verleugnung der Multikausalität des syrischen Konfliktes und die Übernahme der einseitigen Erzählung des syrischen Regimes, wird besonders nach dem fatalen Chloringas-Einsatz durch syrische Kräfte in Douma im April 2018 offensichtlich. Hierbei fragte der Thüringer Parlamentarier Björn Höcke, Gründer der rechtsradikalen AfD Fraktion „Der Flügel“, öffentlich nach der Zweckmäßigkeit eines Einsatzes von chemischen Kampfstoffen im Rückeroberungsfeldzug von Ost-Ghouta und behauptet, das syrische Regime hätte keine strategischen Gründe für deren Verwendung.
Im Bundestag verurteilte die AfD die US-Raketenangriffe auf den syrischen Militärflughafen in al-Shairat und der Forschungseinrichtung in Barzah als einen „voreiligen Schritt“. In diesem Zusammenhang ist es interessant zu erwähnen, dass sich einige Individuen innerhalb der AfD aktiv an der Verbreitung von Verschwörungstheorien beteiligen, die von russischen Medienorganen wie Sputnik oder Russia Today verbreitet werden. Sie wiederholen dabei die Behauptungen dieser Formate und beschuldigen die Rebellen, mit der Inszenierung von Chemiewaffenangriffen eine westliche Intervention zu provozieren. Diese Verwischung und Infragestellung einer Täter-Opfer-Beziehung ist dabei eine übliche Taktik der Propaganda des Assad-Regimes. Die Entwicklung dieser adaptierten Medienstrategie gipfelte in der Behauptung von Hans-Thomas Tillschneider, Sprecher der Patriotischen Plattform, der nach dem Giftgasangriff in Khan Sheikoun eine Solidaritätsbekundung mit dem „rechtmäßigen syrischen Präsidenten“ veröffentlichte.
Die genannten Protagonisten der AfD verbreiten diese verschwörungstheoretische Verdrehung von Opfer-Täter-Beziehungen beim Einsatz von Chemiewaffen in Syrien, trotz der von dem investigativen Nachrichtenportal Bellingcat akribisch gesammelten Fakten, die eindeutig den bewaffneten Arm des Regimes als Täter identifiziert.
Kein Raum für Kritik an der autoritären Herrschaft des Regimes
Eine wirklich differenzierte Sichtweise auf die syrische Regierung und deren begangenen Verbrechen ist im Diskurs der deutschen Rechtspopulisten*innen nicht zu erkennen. Der außenpolitische Sprecher der Partei im Bundestag, Paul-Armin Hampel, fühlte sich gezwungen, die Sympathien der Partei gegenüber dem Assad Regime zu relativieren und die diplomatische Gesprächsführung als eine politische Notwendigkeit zu beschreiben.
Abgesehen von dem Hinweis, dass Assad kein „lupenreiner Demokrat“ sei und daher nicht mit dem Demokratieverständnis der Bundesregierung übereinstimme, weigert sich die Partei, tiefgehende Kritik zu üben. Die aktive Umwerbung der diktatorischen Herrschaft durch die deutschen Rechtspopulisten*innen zeigt die Absicht der Partei erneut auf, die Zusammenarbeit mit dem diktatorischen Assad Regime auf Kosten der Menschen durchzuführen, die ohnehin von der AfD als Sozialschmarotzer*innen gesehen werden.
Ein Kaffee auf Kosten der deutschen Steuerzahler*innen
Dabei schreckt die Reisedelegation nicht davor zurück, ihre Perspektive auf „den syrischen Flüchtling“ in Deutschland mitzuteilen. Bei einem Cafébesuch lässt sich die Gruppe in Homs fotografieren. Blex kommentierte dazu über Twitter: „Während sogenannte syrische Flüchtlinge aus Homs auf Kosten des deutschen Steuerzahlers in Berlin Kaffee trinken, trinken wir ihn auf eigene Kosten in Homs.“
Syrer*innen in Deutschland reagierten darauf empört in den sozialen Medien mit der Kampagne unter dem Hashtag #Ich_bezahle_meinen_Kaffee, um auf die verdrehte Wirklichkeit der AfD aufmerksam zu machen.
Die monokausale Bezugnahme auf eine angebliche Attraktivität des deutschen Sozialsystems als die Ursache für eine Flucht bildet die Grundlage für den Diskurs der AfD. Sie lässt die Tatsache außer Acht, dass viele Syrer*innen nicht nur vor dem Krieg geflohen sind, sondern auch vor der staatlichen Repression des Assad Regimes. Es bleibt außer Frage, warum die Menschen die lange, harte Reise über das Mittelmeer oder die Balkanroute anstreben. In den Augen der AfD riskieren diese Menschen ein Leben im Ausland mit fragwürdigen Perspektiven sowie einer Konfrontation mit der schlimmsten Art von Diskriminierung, nur um einen Kaffee auf Kosten des deutschen Steuerzahlers trinken zu können.
[1] Tanja Börzel/Thomas Risse 2018: From the Euro to the Schengen Crisis: European Integration Theories, Politicization, and Identity Politics, in: Journal of European Public Policy, Vol. 25, No. 1, pp. 83-108.
[2] Daniel Kelemen 2017: Europe’s Other Democratic Deficit: National Authoritarianism in Europe’s Democratic Union, in: Government & Opposition, Vol. 52, No. 2, pp. 211-238
[3] Daniel Gerlach 2015: Herrschaft über Syrien: Macht und Manipulation unter Assad, Berlin.